Bortniansky stand da und beobachtete, wie seine
Techniker die Oberfläche der östlichen Wand des fremden Tempels
von der Struktur trennten. Große Schneider, die noch aus der
Ausrüstung der Unity stammten, machten kurzen Prozeß mit dem fremden
Material des Tempels, das dadurch nur Bruchteile von Millimetern bei dem
Schnitt verlor.
Aber Bruchteile waren wichtig. Sie waren wichtig!
"Treten Sie zurück, Akademiemitglied" befahl ihm ein anmaßender
junger Leutnant als die Oberfläche der Wand zu kippen begann. Große
Kräne stabilisierten den Abschnitt.
"Wenn es fällt, laß es mich ruhig treffen." murmelte Bortniansky.
"Ich kann das nicht ertragen."
Langsam und sorgfältig hoben die Kräne den riesigen Wandabschnitt
hoch und setzten ihn etwas weiter auf seine Kante, um ihn dann auf eine
Plastikpalette, die aussah wie Bienenwaben, zu senken. Als sie das Stück
herunterließen krachte es gewaltig und das Echo wurde prächtig
von den Hallenwänden zurückgeworfen.
Der junge Leutnant starrte auf Gesicht an der Wand, das sich jetzt ergab.
"Keine Bewegung! " flüsterte Bortniansky.
"Herr." stammelte der jungen Leutnant. "Wir haben das überprüft.
Ich fürchte, unsere Ausrüstung war nicht gut genug."
Bortniansky ignorierte ihn und ging vorwärts in Richtung der neu
entstandenen Oberfläche. Das Gesicht dieser Wand war eine Studie von
Konturen voll mit winzigen Gruben, geführten Höhlungen und immer
fremderen kleinen Wellen und Kurven. Diese Muster erstreckten sich hinauf
und hinunter, zur Decke und weg zu beiden Seiten, einer Geschichte im Inneren
der Wände.
"Dies ist ein Fehler." quakte Bortniansky. Er schaute zur Hauptwand, wo zwei
Techniker aufgehört hatten zu arbeiten und ihre Werkzeuge in ihren
Händen hielten. "Beenden Sie die Arbeit hier. Wir werden keine weiteren
Wände mehr anschneiden. Der Rest wird abgebildet und per Datalink
übertragen."
"Und was passiert damit?" fragte ein junger Techniker und stieß die
Tafel auf dem Boden mit seinem Fuß an. "Zakharov will es haben."
"Diese werden wir ihm schicken."
Der Leutnant nickte. "Ich werde sie auf einen Transporter laden lassen."
"Nein." sagte Bortniansky. "Wir werden sie nicht über Land versenden.
Der Landtransport ist ein Köder."
"Wie dann?"
Bortniansky starrte die Tafel auf dem Boden an. "Die wird übers Meer
abgehen."
Der Wind in der Kammer strich über die frisch freigelegten Oberflächen
und begann zu singen.
Kapitän Ulrik Svensgaard stand an einem ruhigen Strand und beobachtete
den Schimmer von Metall auf dem Wasser. Er blinzelte, strich über seinen
langen, blonden Pferdeschwanz, spuckte einen salzigen Brocken auf den groben,
roten Sand und schaute wieder durch sein Fernglas.
"Drei Schiffe. Ich wußte gar nicht, daß Zakharov drei Schiffe
besitzt."
"Das sind keine Schiffe." gab sein drahtiger Kamerad zurück. "Eins ist
ein Pott, das Andere nicht besser als ein schwimmender Kasten. Das Dritte
... die Leute dort panzern es gerade. Es könnte ziemliche Feuerkraft
haben."
"Wirklich?" Er wölbte eine Braue. "Wir sind alle viel zu sehr damit
beschäftigt, seit der Planetenlandung unser Überleben zu sichern,
und Sie denken, die monieren schon eine Kanone auf ihre Schiffe? Noch nicht
einmal Morgan weiß etwas von unserem kleinen Experiment."
"Ja, Morgan würde es nicht billigen." Sein Kamerad verengte ihre
meeresgrünen Augen und sah sich wieder das Schiff an. Die zwei blieben
für einige Momente still stehen und nur das Pfeifen der Meereswinde
umgab sie.
"Sie kommen vom Tempel." sagte sie schließlich. "Aber warum übers
Meer?"
"Sie haben Angst, weil sie sich so nah an Miriams Gebiet befinden." gab Ulrik
zurück. "Aber vielleicht können wir ihnen einen neuen Grund geben,
sich ängstlich zu fühlen."
"Der Meinung bin ich nicht" sie sagte rundheraus. "Es ist zu früh."
Er ignorierte sie und winkte einer Gruppe von Männern und Frauen die
an einer steinernen Ausbuchtung wenige hundert Meter entfernt standen. Mehrere
von ihnen sahen auf. "Sie scheinen bereit zu sein. Keiner von uns ist hier
um Zeit zu vergeuden."
"Zu früh aufzufallen wäre eine Katastrophe." Sagte sie böse.
"Sie sind eine leichte Beute." sagte Ulrik. "Aber ich werde dir eines garantieren
... wir warten bis zum Einbruch der Dunkelheit. In der Dunkelheit und im
Einfluß der Erschütterung werden sie gar nicht wissen, wer sie
getroffen hat."
"Ich mag diese Nachtreisen nicht." murmelte Hefferan, der sich gerade an
den Plastikzaun des Begleitschiffes gelehnt hatte. "Wenigstens wußten
wir auf Erde was die Dunkelheit brachte."
"Ja. Den schnellen Tod, Partisanenangriffe, verstümmelte Opfer von
biologischen Angriffen. Oder haben Sie vergessen ..." Snowfire stockte und
seine Augen wurden enger. "Was war das?"
"Was?" Hefferan streckte seinen Hals aus um in eine beinahe undurchdringliche
Dunkelheit hinauszustarren. Snowfire machte ein mürrisches Gesicht und
nahm ein Fernglas von seinem lose gebundenen Gürtel. Er schaute durch
die einzelne Linse und drehte an den Kontrollen herum. Mehrere bewaffnete
Soldaten/Techniker kamen auf ihn zu.
"Nichts." Das Wort flutete über die Dunkelheit von Meer und Himmel.
"Es gibt keine Unze Mondlicht durch die Erschütterung." sagte Hefferan,
ein älterer Wissenschaftler, der als Experte in der Treffsicherheit
galt. "Pech, daß beide Sonnen gerade weit entfernt sind."
"Dort." sagte Snowfire und drehte dann sein Fernglas um. "Irgend etwas ...
sieht der Navigator irgend etwas in seinem Fernglas?"
"Er hätte etwas gesagt." beantwortete Hefferan. "Es gibt einheimische
Lebensformen im Fungus. Ob Eine hier draußen ist?" Der ältere
Mann sah nach unten in die Schwärze um das Schiff herum. "Etwas lebendiges
muß dort unten sein."
"Es ist zu dunkel." sagte Snowfire. "Lassen Sie uns nicht so darauf warten."
Er ging unter Deck und tauchte einige Momente später mit einer
Leuchtfeuerwaffe wieder auf. Er hielt sie sehr tief auf den Horizont zu und
schoß.
Ein weißer Bolzen aus reiner Energie schoß aus der Waffe, flog
tief gegen den Horizont und versandte glänzenden Lichtspuren in das
gesamte Meer. Die Kugel flog lang und weit, verblaßt dann unten fiel
ins Meer. Einige Momente lang war völlige Stille.
Plötzlich sahen sie einen Schuß mit einem hellen gelbem Lichtschein
in der Dunkelheit auf dem Meer, genau vor ihnen. Snowfire beobachtete es
und bedeckte dann sein Gesicht, weil das Licht immer heller wurde.
"Das ist kein Leuchtfeuer! Schnell in den Hafen!" befahl er.
Das Schiff begann sich in die Wellen zu drehen, die Maschinen heulten auf
und jagten das Schiff gegen die Wellen, vorwärtsgetrieben durch die
Kraft der Maschinen. Das gelbe Feuer hatte sich zu einer riesigen
Lichtsphäre ausgedehnt, die das gesamte Schiff umgab, so daß sich
Hefferan von der Hitze wegdrehen mußte. Er ging über das Schiff
und dann gab es ein Zischen, als ob das Meer kochte und der entstehende Dampf
zu den Wolken aufstieg.
"Was war das "? schrie Hefferan. Zwei weitere Leuchtfeuer schlugen in den
Nachthimmel und bewegten sich in ihre Richtung.
"Alle Maschinen Stop! Bleiben Sie ruhig!" schrie Snowfire. "Sie werden uns
verfehlen."
Aber drei weitere Abschüsse erklangen am Horizont, so daß jetzt
fünf gelbe Feuerbälle den Himmel überquerten.
"Wir müssen das Frachtschiff schützen." zischte Hefferan, der hilflos
und ohne zu schießen sein Gewehr hielt, weil er den Feind nicht sehen
konnte.
"Sie schießen nicht auf das Frachtschiff. Sie wissen, was es geladen
hat. Ganz sicher." Snowfire kontaktierte den Kapitän des Frachtschiffes
um ihm per Quicklink folgenden Befehl zu geben: "Frachter, Bewegen Sie ihr
Schiff näher zu unserem. Wir müssen uns im Bund bewegen."
"Zu riskant!" kam die hohe Stimme des Kapitäns des Frachtschiffs
zurück. "Sie versuchen, Sie zu töten."
"Aber nicht Sie. Wenn wir uns enger aneinander bewegen, wird es für
uns beide besser sein."
Das Meer schäumte und um sie herum, als das gelbe Feuer um sie herum
herunterregnete. Dampf kam über Snowfires Gesicht und verbrühte
ihn.
"Ich habe eine andere Meinung!" trällerte der andere Kapitän. "Sie
lenken sie ab und wir flüchten! Wir müssen die fremden Artefakte
zu schützen!"
"Wenn Sie flüchten sind Sie eine leichte Beute!" schrie Snowfire, dann
brach die Verbindung ab. Er schrie zu seinem eigenen Steuermann. "Bewegen
Sie sich nahe an das Frachtschiff. Ich will fähig sein in das Auge ihres
Kapitäns zu spucken. Bleiben Sie in der Nähe. Lassen Sie sie nicht
flüchten."
Das Schiff erschien voraus. Die Geschosse nährten sich vom Abstand her
und wechselten jetzt ihre Farben zu blau und weiß, sie waren jetzt
kleiner, aber füllten den Himmel weiter mit ihrer Hitze und Energie.
Dann, als die Schiffe sich zu einem Verbund zusammenschlossen, stoppte das
Feuer.
Snowfire und seine Mannschaft warteten auf den unsichtbaren Feind, der sich
näherte. |