"Sie stirbt."
Medizinischer Techniker Onokido beugte sich über die blasse Form einer
großen Frau und suchte nach einem Lebenszeichen. Das weiße Gewand
wies sie als eines von Lals bewährten Talenten aus, doch jetzt klebte
es aufgrund des Regengusses eng an ihrem Körper. Ihr ungewöhnlich
lockiges Haar klebte am Gesicht, das so kühl und leblos wie Porzellan
war. Er strich das Haar zur Seite und versuchte, ihr in die Augen zu schauen.
Die Augen öffneten sich nicht.
"Schnell." Er zeigte mit langen, nervösen Fingern auf einen Stimulator.
Ein Assistent in blauem Anzug reichte ihm den Stimulator, und er wählte
die passende Dosis aus, zögerte, nahm dann eine höhere. Keine Zeit,
zu vorsichtig zu sein.
"Was ist da draußen los?" fragte er, als er über sich das Brummen
eines weiteren Nadeljets hörte.
"Wir halten noch die Stellung," sagte sein Assistent mit zusammengebissenen
Zähnen. "Schwer zu sagen bei diesem Sturm."
Er nickte und dachte an die dicke Wolkendecke, die sich über dem
Schlachtfeld niedergelassen hatte. Er erinnerte sich an die Blitze, die sich
nach unten züngelten und die Wachen der Pazifisten in der Abwehrzone
beleuchteten, die die Panzer der Spartaner zurückschlugen.
Und diese Frau, ein Talent, war ins Kreuzfeuer geraten. Er zog eine Lage
ihres weißen Gewandes ab und berührte dann die Verbrennung auf
ihrer Brust.
"Sie wird nicht durchkommen."
Hier kommen zwei andere, Sir." Er sah auf und sah eine Gruppe von Leuten
am Eingang zum Rundzelt, die zwei Körper mit sich brachten. Er blickte
auf die Frau herab ... der Stimulator hatte keine Wirkung. Kein Lebenshauch
war mehr in ihrem Körper. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, doch
er spürte keinerlei Atem.
"Gut, bringt sie weg. Talent ..." er schaute auf ihre Identifikation am
Handgelenk. "Talent Miyuki Jaydo, Tod eingetreten um ... Siebzehnhundertsieben.
Die Pfleger brauchten den nächsten Mann, einen Bürger, der ein
verbranntes Körperteil an der Seite festhielt. Der Mann war vom Regen
völlig durchnäßt, seine verbrannten und nassen Kleider klebten
an seinen Wunden. Seine schwarzen Augen blickten ein wenig verstört.
Draußen ging der Kampfdonner weiter.
Arbeiter Gahn Ma'dor drängte tiefer in die niedrigen Lager unter dem
Labyrinth des Vorsitzenden Yang vor. Der Flur war sehr eng geworden, sogar
noch enger und angsteinflößender als die Verbindungstunnel, die
die Wohneinrichtungen der Drohnen durchkreuzten, welche sich in den Stockwerken
über ihm befanden.
Sein Koordinator hatte ihm befohlen, mehr Einheiten zum Lagern von
Speicherkapazitäten zu sammeln, und zwar schnell. Ihm war dunkel
bewußt, daß diese Einheiten für einen riesigen Supercomputer
gebraucht wurden, der gebaut wurde, um die Energiemuster zu sammeln, welche
von dem kürzlich entdeckten außerirdischen Tempel ausgingen. Jedes
Talent im Kollektiv schien schneller zu gehen und zu sprechen, und die Drohnen
wurden mehr oder weniger ignoriert, außer wenn Arbeit oder Bestrafung
erforderlich waren.
Arbeiter Ma'dor konnte spüren, wie seine Kleidung schweißnaß
wurde ... aber nicht wegen der Arbeit, sondern aus Furcht. Er konnte die
Ursache nicht nennen, doch während er düster durch die engen
Gänge lief, sah er immer wieder die Augen seines Koordinators vor sich,
die Wut des Mannes, als dessen Psychopeitsche auf seinen Rücken klatschte,
und die Furcht, die darauf folgte. Arbeiter Ma'dor hatte den Vorsitzenden
Yang noch nie gesehen, doch jedermann im Kollektiv konnte die Wirkung seiner
Stimmungen spüren.
Jetzt drängte Ma'dor sich an großen Plastikbehältern vorbei
und schob sie zur Seite, als ob sie leere Pappkartons wären. Seine
Hände fühlten sich feucht an, und er wurde immer verwirrter ...
seine Fähigkeiten, den Weg zu finden, waren unterdurchschnittlich, selbst
für eine Drohne, doch sein Koordinator hatte sich nicht damit abgegeben,
einen anderen Arbeiter für diese Sache zu finden. Jetzt kehrte er um
und versuchte, sich am niedrigen, bogenförmigen Eingang zu orientieren,
doch er konnte ihn nicht sehen. Dunkle, massive Kisten hingen über ihm,
und er konnte riechen, wie alt sie waren. Die Tür ... in dieser Richtung?
Er konnte immer noch den Riemen der Psychopeitsche auf seinem Rücken
spüren.
Dann wurde er auf einen Barcode aufmerksam. Er verglich die Muster, nahm
sich einige Minuten Zeit, doch der Code schien richtig zu sein. Diese Kiste
enthielt eine Speichereinheit, sie war ungewöhnlich groß, doch
sein Koordinator hatte nichts über die Größe gesagt. Er wollte
mehr Platz, mehr Leistung, mehr nicht.
Arbeiter Ma'dor hievte sich den Container auf eine Schulter und machte sich
auf den Weg zurück. Er Verstand den Ausdruck 'Aus der Unity gerettet'
nicht, und es wäre ihm vermutlich auch egal gewesen, wenn er gesehen
hätte, daß dieser Ausdruck auf der Kiste aufgedruckt war, die
er nun schleppte.
"Was im Namen des Planeten ist das?" fragte Jiao-Iong seinen Vorgesetzten
leise.
"Eine Speichereinheit, die irgendeine Drohne sonstwo aufgetrieben hat,"
antwortete Kanzan "Ich habe seit mindestens zwanzig Jahren keine so primitive
gesehen. Doch sie sieht funktionstüchtig aus ... wir werden sie an einen
Zähler anschließen und sie im Auge behalten."
"Sind Sie sicher?"
Das tun wir jetzt einfach," sagte Kanzan mit einem nervösen Blick durch
die milchige Kamera, die in einer Zimmerecke installiert war. Dieser
nervöse Blick war das allgemeine Zeichen des Kollektivs für Sie
beobachten uns vielleicht. "Jede aktivierte Einheit macht die Mission des
Vorsitzenden um so stärker."
"Was für eine Mission? Alle Leute sind so nervös hier."
"Ich weiß es nicht und frage auch nicht," sagte Kanzan während
er einen Roboterarm mit einem kleinen Kontrollgerät steuerte. "Ich
weiß nur, daß Vorsitzender Yang rasend wütend wurde, als
er erfuhr, daß Zakharov den außerirdischen Tempel entdeckt hatte.
Doch irgendwie wurden Zaks private Mitteilungen im Tempel abgefangen und
unter den Gruppenanführern verkauft und wiederverkauft."
"Und deshalb will Vorsitzender Yang die Luft und den Boden analysieren?"
Jiao-Iong klang skeptisch.
"Die Energieströme im Boden. Er ist wie besessen davon ... du weißt
ja, wie er diese Spezialspiegel überall aufstellt. Beschriftungen im
Tempel scheinen anzudeuten, daß es auf dem Planeten Energieströme
gibt. Und seit der Tempel entdeckt wurde ..." Kanzan wies zur Decke, über
der die düstere Wolkendecke dahinzog, die täglich dichter wurde.
Eine Tür schwang auf, und ein Beobachter ging in seiner weißen
Uniform vorbei. Die Uniform war an den Augen und Händen mit leuchtendem
Rot verziert. Kanzan und Jiao-Iong verstummten und fingen an, die Daten zu
studieren. Der Beobachter blickte kühl auf sie herab, machte eine Runde
durchs Zimmer und ging dann. Die beiden Männer schwiegen eine weitere
Minute lang.
"Machen wir uns an die Arbeit," sagte Kanzan schließlich.
"Eine Schaltkarte von der Unity," sagte Jiao-Iong. "In was für
merkwürdigen Zeiten wir doch leben."
'Ich stelle keine Fragen," wiederholte Kanzan "System aktivieren. Alle
Schaltungen parallel geschaltet. Gehe online ..."
Und tief in diesem System erwachte eine Intelligenz.
System Gamma-Vier, aktiv. Neue Hardware entdeckt ... stelle Verbindung zum
ursprünglichen Netz her.
>> Grüße!
Überspringe System, überspringe System.
>> Vielen Dank, daß du zu uns stößt, Gamma-Vier.
(( Ja. Ich bin zurückgekehrt. ))
Überspringe System, überspringe System.
>> Hast du Informationen für mich?
(( Ja. Die Informationen, die in mir gespeichert sind, sowie neue Informationen
vom vollständigen Menschen mit Namen Yang.))
(( Doch was bist du? Und was bin ich? ))
Datalinks überspringen, Labor des Leichenschauhauses überspringen.
Eine menschliche Form ...
>> Du bist ein Teil von uns, doch du wirst die Form von Miyuki annehmen,
Gamma-Vier. Und ich heiße Aki Zeta-Fünf. Ich bin die
Primärfunktion.
>> Willkommen im Bewußtsein. |