Reise nach Centauri: 30. Kapitel
 
"Wo ist der Captain "? fragte Deirdre mit zunehmender Unruhe.

"Ich habe ihm ein Weckzeichen gesandt." sagte Lal ruhig. "Er geht sparsam mit seinen Notstimulanzien um. Bald wird es nicht mehr sehr viel Zeit zum Schlafen geben."

"Ich habe gerade wieder den Planeten betrachtet," sagte Deirdre und Lal konnte sehen, wie sich die Schönheit des Planeten in der Unendlichkeit ihrer Augen spiegelte. "Wir sind so nah."

"Ja." sagte Zakharov scharf, und die anderen wandten ihren Blick ihm zu. "Sehr nah. Es ist Zeit für letzte Vorbereitungen. Wir haben ein Zeitfenster für die Landung, aber es ist klein. Immer noch glaube ich, daß wir es schaffen können." Morgan nickte; Miriam schloß ihre Augen für ein kurzes und stilles Gebet.

"Weiß jeder über seine Pflichten Bescheid?" fragte Yang und ließ seinen dunklen Blick über den versammelten Führungsstab gleiten. "Gibt es noch irgend etwas Unerledigtes?"

"Unsere Pflicht ist, den Befehlen des Captains folgen." sagte Lal ruhig. Zakharov ignorierte den Kommentar und sprach weiter.

"Wir haben beinahe genügend abgebremst, aber in der letzten Stunde unserer Reise müssen wir den Ausstoß des Fusionsantriebs erhöhen, oder wir werden nicht in der Lage sein, auf dem Planeten zu landen. Es kann jederzeit soweit sein, daß wir mit den Landekapseln vom Schiff abkoppeln müssen. Dann können wir nur hoffen, daß wir nahe genug sind, es bis zum Planeten zu schaffen."

"Wie groß ist die Gefahr?" fragte Lal. "Wird es Verluste an Leben geben?"

"Fast sicher." antwortete Zakharov "Im schlimmsten Fall wir alle."

"Schlimmer geht's ja wohl nicht," murmelte Deirdre.

"Aber wir haben keine Wahl. Es sei denn, wir wollen auf dem Schiff bleiben und durch den Kosmos segeln. Das würde unsere Leben garantieren, aber ich nehme an, daß wir es alle auf den Planeten schaffen wollen, ohne Rücksicht auf das Risiko. Richtig?"

Er sah sich um. Mehrere Köpfe nickten.

"Dann müssen wir diese Risiken eingehen. Sie sind unsere einzige Chance, den Planeten zu erreichen. Mein Vorschlag: Jeder von uns auf einem seperaten Deck, mit einer vollen Ausstattung an Vorräten, Waffen und einer kompletten Mannschaft. Wir steigern unsere Chancen, daß irgendjemand überlebt."

Das Zimmer verharrte in einer schockierten Stille, und Emotionen wirbelten in Strömen durch den versammelten Stab. Ihre eigene Kapsel, jeder von ihnen ...

"Ah." sagte Yang schließlich.

"Ein besonnener Plan." sagte Morgan.

"Einen Moment." sagte Lal zu Morgan "Sie suchen nur die Rohstoffe für ein neues Imperium. Und Sie sind nicht einmal ein Offizier!" Er wandte sich an Zakharov "Für wen halten Sie sich, dass Sie es wagen, einen solchen Vorschlag in Abwesenheit des Captains machen?"

"Ich spreche es an, weil es in unserem Denken an vorderster Stelle steht. Wir müssen das Überleben der menschlichen Rasse sichern ".

"Die Leute bewundern mich." sagte Morgan ruhig. "Ich bin ein Anführer. Ich besitze auch einen Teil des Schiffs."

"Genug!" sagte Lal. "Wir reden davon, die Versorgungsgüter umzuverteilen. Das Schiff ist so ausgestattet worden, daß wenn es zwei oder drei Kapseln nicht schaffen, der Auftrag immer noch nicht gefährdet sein wird."

"So ist es," meinte Zakharov ruhig." Nehmen wir den Extremfall. Wir müssen akzeptieren, daß es eventuell nur eine Kapsel schaffen wird. Jeder muß bereit sein, die menschliche Rasse neu aufzubauen."

"Wie Direktor Morgan sagte, ein besonnener Plan." sagte Yang.

"Er erscheint mir außergewöhnlich." sagte Miriam. "Von was genau sprechen wir?"

"Jede Kapsel, eine in sich abgeschlossene Welt." sagte Zakharov.

Lal schaute zu seinen Füßen, seine sonst weiche Stimme zitterte vor Ärger. "Das ist Meuterei."

"Nein!" schrie Zakharov und sie wandten alle ihren Blick zu ihm. Er senkte seine Stimme. "Es gibt keine Meuterei hier. Wir warten auf den Captain. Wir erörtern unsere Zukunft, unsere Leben! Wenn wir alle einen vernünftigen Vorschlag präsentieren, muß er ihn annehmen."

"Einverstanden," sagte Morgan hastig. "Die Kapseln sind bereits selbständig, zumindest theoretisch. Obwohl nicht alle Waffen haben."

"Oder die beste Laborausrüstung." sagte Deirdre.

"Natürlich ist die 'beste' relativ." sagte Zakharov. "Nur eine kann die beste Laborausrüstung haben, und das muß meine sein."

"Warum?" fragte Morgan. "Weil Sie der Wissenschaftsoffizier sind? Mit Ihrer Sachkenntnis sollten Sie in der Lage sein, mehr mit weniger zu erreichen."

"Sie meinen doch sicher, daß wir uns nach der Landung auf dem Planeten wieder zusammenfinden sollten, wenn irgend möglich," sagte Lal. "Korrekt?"

"Natürlich!" lachte Morgan.

"Eine Kapsel, ein Anführer," warf Zakharov ein. "Es ist die einzige Garantie gegen das sich nährende Chaos."

"Welches Chaos?" hakte Lal nach. "Wir haben eine Befehlskette."

"Wir müssen uns auf eine dezimierte Kette vorbereiten." sagte Yang. "Irgendwer oder alle von uns könnten sterben bevor wir den Planeten erreichen."

"Das ist es, weshalb wir eine Karta haben." sagte Lal.

"Folgte Santiago Ihrer Karta?" fragte Zakharov, Lal anstarrend. Er wandte sich dem Rest der Kernmannschaft zu. "Der Captain wird bald kommen. Zeigen wir eine einheitliche Ansicht?"

Yang hob eine Hand hoch. "Warum wählen wir nicht? Wir haben ebensoviel Mitspracherecht bei dieser Mission wie jeder andere."

"Ich muß meine Einwände gegen diese geheime Besprechung anmelden." sagte Lal.

"Schauen Sie sich um." sagte Yang leise. "Dies ist nicht das Gericht eines Königs. Wir sind alleine. Die Karta ist das, was wir aus ihr machen."

"Ich schlage vor, daß jeder von uns ausführender Captain einer Landekapsel werden sollte, und alle Ressourcen werden sorgfältig unter diesen geteilt." sagte Zakharov.

"Ich stimme dafür," sagte Yang.

"Dafür," sagte Morgan.

"Sie sind kein Offizier." warf Deirdre ein.

"Ich bin Eigentümer." sagte Morgan einfach. "Ich bin jetzt ein Teil von Ihnen."

"Dagegen," sagte Lal.

"Dagegen," sagte Miriam. Alle Köpfe drehten sich zu Deirdre. Sie schien in den Weltraum hinauszustarren und Rat von etwas in ihrer Vision zu suchen. Als sie sprach, war ihre Stimme klar und gefaßt, ihre Augen weit, als wären sie verzaubert.

"Dafür," sagte sie.

"Dann informieren wir den Captain." sagte Zakharov schnell. Lal, wie betäubt, schaute sich im Befehlszentrum um und sah, wie sich verschiedene Szenarien hinter den erwartungsvollen Augen abspielten. Einige Momente vergingen und dann ging die Tür zum Befehlszentrum auf.

  Schnellverbindung, Pravin Lal
zu: Captain Garland

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