Reise nach Centauri: 23. Kapitel
 
"Captain, hier Officer Skye. Ich bin im Treibhaus auf zwei der Rebellen gestoßen. Einer von ihnen ist Santiago. Bitte um Anweisungen."

Deirdres Stimme auf dem Notruf-Band irritierte Garland. In diesem Moment öffnete sich die Luke zur Kommandozentrale und eine Gestalt trat in den Raum, die für einen kurzen Augenblick sämtliche Aktivitäten zum Erliegen brachte.

"Dr. Yang", sagte er, als Sheng-ji Yang in das Licht der Kommandozentrale trat. "Eigentlich würde ich jetzt fragen, wo Sie waren, doch im Moment haben wir ein anderes Problem. Hören Sie genau zu."

Captain Garland wählte bereits den Antwort-Kanal, als Yang an ihn herantrat. "Deirdre, bitte kommen. Sind Sie in Gefahr? Kann Santiago uns hören?"

"Ich kann sie hören und möglicherweise ist sie in großer Gefahr, Captain", antwortete Santiago. "Ihre Botaniker scheinen nicht darauf vorbereitet zu sein, bewaffnete Einheiten in Schach zu halten". Ihre Stimme klang kalt und klar, beinahe erfrischend. "Ich würde es wirklich sehr begrüßen, wenn Sie freundlicherweise diese Luke entriegeln könnten."

"Das ist nicht ganz einfach", entgegnete Garland ruhig. Yang nickte, eine geschickte Lüge. "Wir haben den Befehl zur Verriegelung unter Zwang erteilt. Es wird einige Zeit dauern, bis wir den Zugangscode entschlüsselt haben."

"Ich glaube Ihnen kein Wort. Wie dem auch sei, ich empfehle Ihnen wirklich dringend, diese Luke zu öffnen. Wie ist mir egal. Ich muß sicher nicht erwähnen, daß ich Geiseln habe."

"Warum, Santiago?" Yangs Stimme, deutlich und sanft, erfüllte den Raum wie eine Windhauch. Nach einer kurzen atemlosen Stille …

"Dr. Yang."

"Ja. Ihre Verhandlungsgrundlage."

"Habe Sie nie als solche gesehen. Eher als gefährlichen Gegner, eine Bedrohung, die ich sehr ernst nehme." Yangs Gesicht zeigte keinerlei Regung, er überlegte. "Allerdings schmerzt es zu hören, daß Sie entkommen konnten. Sie hätten sich uns anschließen können."

"Wer sind Sie?"

"Eine Gruppe von Menschen, die überzeugt ist, daß die Menschheit unweigerlich untergehen wird, wenn sie nicht von disziplinierten Führern mit einem unerschütterlichen Überlebenswillen geführt wird. Jemand, der wie Sie an drastische Maßnahmen glaubt, ist für die Sicherung des Fortbestandes der Menschheit unentbehrlich."

"Das reicht jetzt" fiel Garland ihr ins Wort. "Santiago, können wir Sie hierher in die Kommandozentrale bringen lassen, um alles weitere zu besprechen? Wir wünschen uns alle ein sicheres Ende dieser Reise."

"Öffnen Sie die Luke und ich komme zu Ihnen."

"Übergeben Sie zunächst Ihre Waffen an Officer Skye."

"Unmöglich." Dieses eine Wort, einfach und direkt, berührte Garland auf seltsame Weise. Sie weiß genau, was sie will, erkannte er. Ihre Strategie ist unerschütterlich und ihr ist klar, daß die Würfel gefallen sind.

"Öffnen Sie die Luke, Captain. Ich möchte unnötiges Blutvergießen vermeiden. Mein Wort darauf."

"Das Wort eines Verräters", zischte Yang. Zum ersten Mal brach seine Verärgerung aus ihm heraus.

"Für Sie mag ich ein Verräter sein, doch ich versuche nur, meine Anhänger zu schützen. Wenn das Schiff nicht dazu in der Lage ist, wovon ich übrigens überzeugt bin…" Garland starrte Zakharov an, der über seine Konsole vertieft war, "…wir, die wir unseren Überlebenswillen bewiesen haben, fordern, in dem Teil des Schiffes zu sein, das den Planeten erreichen wird."

"Warten Sie an der Luke", sagte Garland, bevor er die Verbindung abbrach. Er ließ seinen Blick durch die Kommandozentrale schweifen…auf Yang, dessen Augen düster auf die Kommunikationsverbindung starrten, auf Zakharov, der sich nun umdrehte. Sein Gesicht war fahl, das Kinn bebte.

"Skye ist in Gefahr. Wir müssen diese Luke öffnen. Die Zeit wird knapp, Vorschläge, schnell."

"Sie sind der Captain" erwiderte Yang.

"Dann bewegen Sie sich verdammt nochmal an Ihre Konsole, Dr. Yang und teilen Sie Ihr Wissen mit uns. Sie haben Santiago getroffen...wie ist die Situation?"

"Ja, hat sie irgendwelche Schäden davongetragen?" war Miriams Stimme sanft zu hören.

Dr. Yang achtete nicht auf sie, sondern trat an den ovalen Tisch in der Mitte der Brücke heran und setzte sich. Er nahm einen Stift zur Hand und begann auf der Tischplatte Aufzeichnungen zu machen. Jede seiner Bewegungen wurde dabei automatisch aufgezeichnet und gespeichert.

"Santiago ist sehr diszipliniert und kontrolliert ihre Anhänger vollständig. Sie sind alle bewaffnet."

In diesem Moment leuchtete eine Kommandoleuchte auf. Alle Blicke richteten sich auf den Captain, der wiederum Dr. Yang fixierte. "Dr. Yang, unsere Entscheidung. Schnell."

"Entriegeln Sie die Tür und überlassen Sie Santiago das Treibhaus und die Kältedecks. Dann verhandeln Sie."

"Können wir ihr ein Vorratsdeck ausliefern und ihr und ihren Leuten sicheres Geleit auf den Planeten geben?" fragte Lal.

"Nur wenn es auf ihrer Seite verriegelt wäre. Sie will Sicherheit", erklärte Yang.

"Aber sie schätzt Ehre", gab Garland zu bedenken. "Wir könnten ihr freies Geleit versprechen, ihr unser Wort geben."

Yang lächelte grimmig. "Vielleicht. Möglichkeit 2 ... Schicken Sie eine Kampfeinheit los und neutralisieren Sie ihre Anhänger. Allerdings muß alles sehr schnell gehen, wenn wir Skye und ihre Mitarbeiter retten wollen."

"Und woher sollen wir die Kampfeinheit zaubern?" fragte Zakharov. "Meine Männer sind zwar bewaffnet aber nicht ausgebildet. Wir müssen sie ..."

"Nur ein Teil der Sicherheitskräfte wurde bereits aufgeweckt", warf Garland ein. "Es würde Tage dauern, weitere Einheiten aufzutauen und in Kampfbereitschaft zu versetzen."

"Zeit, die wir nicht haben" entgegnete Yang. "Doch es gibt immer noch Möglichkeit 3.... das Treibhaus bleibt geschlossen und wir schalten die Sauerstoffzufuhr ab. Der Tod Santiagos wird ihre Anhänger demoralisieren."

"Skye und die übrigen würden ebenfalls sterben!" brauste Miriam auf und Garland fühlte ihren Magnetismus, ihre Eindringlichkeit.

"Sie wollten Vorschläge ...es ist eine Möglichkeit. Leider ist es gleichzeitig die einzige Chance, Santiago definitiv zu neutralisieren."

"Und wenn wir abwarten, bis sie bewußtlos sind und dann zuschlagen?" fragte Lal, der wie immer um einen Mittelweg bemüht war.

"Laut unseres Überwachungssystems warten Santiagos Leute außerhalb des Treibhauses. Außerdem müßte unser Timing perfekt sein und Skye wird vermutlich vor Santiago bewußtlos. Wir müssen sichergehen ... geben Sie ihr, was sie will, greifen Sie sie an oder drehen Sie ihr die Luft ab. Andere Möglichkeiten sehe ich nicht."

"Captain" drängte Zakharov. "Meine Techniker melden, daß der Fusionsantrieb wieder funktioniert. Wir dürfen nicht länger warten."

"Starten Sie die Triebwerke", befahl Garland. "Ich werde versuchen, Santiago hinzuhalten."

"Warten Sie", unterbrach Yang Garland. "Kontaktieren Sie sie nicht. Das ist eine weitere Möglichkeit."

  Persönliches Logbuch
Pravin Lal, Chefchirurg

Es ist die Aufgabe eines Mediziners, Leben und
Tod gleichermaßen zu sehen. Akzeptiert man die
Verflechtung beider Phasen, fällt es leichter,
den Tod zu ertragen.

Wir stehen vor einer schwierigen Entscheidung.
Viele Menschenleben stehen auf dem Spiel, und
möglicherweise können nicht alle gerettet
werden. In Zeiten wie diesen beneide ich
Godwinsons unerschütterlichen Glauben.