Reise nach Centauri: 18. Kapitel
 
"Was will Santiago?"

Der Captain beobachtete Santiagos Abgesandte in einem kleinen, spärlich eingerichteten Nebenraum der Kommandozentrale. Sie saß an einem kleinen weißen Tisch, die Hände sichtbar, aber nicht gefesselt. Der Mann, der sie gefangengenommen hatte, ein drahtiger Kerl namens Guillaume, stand hinter ihr. Die Pistole in der Hand, starrte er auf ihren Rücken. Sein Blick war haßerfüllt.

Die Abgesandte streckte sich. "Warum stehe ich unter Arrest? Ich kam als friedliche Unterhändlerin."

Garland schüttelte den Kopf. "Friede? Die Rebellen haben das Schiff zerstört und Mitglieder meiner Crew ermordet ..."

"Nicht ermordet. Bekämpft." Sie spielte mit ihren Fingern. "Wir verteidigen lediglich unsere Position. Nicht mehr und nicht weniger."

Garland schüttelte erneut den Kopf. "Ich verstehe nicht. Welche Position? Woher nehmen Sie sich das Recht, das Blut Ihrer Kameraden zu vergießen und den Bordcomputer umzuprogrammieren?"

"Unser Vorgehen wird durch unseren Verhaltenskodex gerechtfertigt. Sie haben versucht, in Dinge einzugreifen, die wir als fundamental für unser Überleben erachten. Wir mußten dieser Aggression mit Gewalt begegnen."

"Mußten?" Eine tiefe Frauenstimme schaltete sich in die Unterhaltung ein. Garland wandte sich der Stimme zu. In der Tür stand Miriam. Ihre leuchtend blaue Uniform absorbierte beinahe das gesamte Licht des Raumes. Sie preßte ihre Hand an die Hüfte. Künstliches Gewebe sollte dort ihre Wunden heilen. Trotzdem war ihre Haltung aufrecht und vermittelte starkes Selbstvertrauen.

"Miriam!" Er lächelte, wandte sich Miriam zu und berührte ihren Unterarm. "Schön, Sie wiederzusehen."

"Ich konnte nicht ewig auf dem Sanitätsdeck bleiben, Captain. Ich brauchte Abwechslung. Außerdem meinte Pravin, Sie könnten meine Hilfe brauchen."

"Das kann man wohl sagen." Er deutete auf die Abgesandte. "Ich muß mich jetzt ohnehin um das Schiff kümmern. Scheint so, als will Santiago mit uns verhandeln."

"In der Tat." Miriam näherte sich. Dem Blick der Abgesandten standhaltend umspielte ein Lächeln ihre Lippen. "Ihre Kommandantin muß großes Vertrauen in Sie setzen, daß sie Sie hierher schickt. Sprechen Sie für Santiago?"

Die Abgesandte nickte. "Ich spreche für mich selbst, doch meine Interessen sind auch die Interessen des Colonels. Ich bin hier, um eine Nachricht zu überbringen."

"Eine Nachricht?" Miriam nahm in einem kleinen Kunststoffstuhl Platz. Der Captain wartete an der Tür zur Kommandozentrale, die Arme vor der Brust verschränkt.

"Erstens will der Colonel niemanden verletzen. Wir versuchen nur, unser Schicksal auf diesem Planeten selbst zu bestimmen."

"Wer sind 'wir'? Wer seid ihr, daß ihr alle in einem derart kleinen Pronomen Platz findet?"

"Wir sind Kämpfer, die letzten und besten. Wir gehören einem Kampfverband an, der noch auf der Erde gegründet wurde."

Und gegen wen kämpft ihr? Gegen uns?"

"Gegen jeden." Ihre Lippen kräuselten sich, als sie lächelte " Nicht gegen Sie speziell. Jeder… Schwache. Jeder, der eine Bedrohung für das Überleben der Menschheit darstellt."

Garland erhob seine Stimme: "Wir versuchen, das Überleben der Menschheit sicherzustellen. Es sind Leute wie Sie, die es gefährden."

Sie warf ihm einen Blick zu, ohne zu antworten. Miriam ergriff erneut das Wort. "Santiago will also eine friedliche Lösung? Würde sie das bei ihrer Ehre schwören?" Die Abgesandte nickte. "Und wann wird sie mit uns in Verbindung treten?"

"Wenn sie glaubt, daß die Zeit reif ist. Bald."

"Was genau will Santiago eigentlich?" schaltete sich Garland erneut ein.

"Hier." Sie streckte ihm ihren Unterarm entgegen. Garland war verwirrt, doch dann erkannte er, daß sie Daten von ihrem tragbaren Computer auf seine Konsole übermittelte. Er schaltete auf Empfang und es erschien eine Liste verschiedener Forderungen. Rasch überflog er die ersten Einträge.

"Eine komplette Landekapsel? Nahrungsmittel und Nachschub, die für eine tausend Mann starke Besatzung gedacht sind - für eine kleine Gruppe von Rebellen?"

"Unterschätzen Sie uns nicht." Garland und Miriam starrten sie, von ihrem Selbstvertrauen verblüfft, an. Ein Schauder lief über Garlands Rücken.

"Ich schätze 50, maximal 100 Mann. Ungeachtet…" er hielt kurz inne, als er den Schatten in ihren Augen sah. "Es ist sinnlos, jetzt darüber zu diskutieren. Ich werde die Forderungen lesen, während ich auf Santiago warte. Wir wollen eine friedliche Lösung, aber wir werden uns nicht in unserem eigenen Schiff zu Geiseln machen lassen."

Miriam streckte der Abgesandten eine Hand entgegen. "Wo ist sie jetzt? Wo ist Santiago?"

Die Abgesandte beobachtete sie kühl. Ihre weiten Augen verdunkelten sich. "Wo immer sie es wünscht".

Die Tür zur Kommandozentrale öffnete sich. Pravin trat mit ernstem Gesicht in den Durchgang.

"Captain wir haben nicht autorisierte Bewegungen in den Kältedecks aufgezeichnet. In der Nähe des Treibhauses."

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Corazon Santiago, übertragen durch Boten

Dieses ist kein heiliger Krieg, aber das wäre das
selbe. Der Wille, den wir in den Zellen
unseres physischen Seins tragen, ist reiner als
jede Religion oder Philosophie, die es je gab.

Wenn Sie Miriam Godwinson sehen, können
Sie sie an das erinnern.