Reise nach Centauri: 17. Kapitel
 
Corazon Santiago rollte sich blitzschnell durch den engen Metallgang ab. Geschmeidig fand sie ihre katzenartige Balance wieder und richtete sich auf. Ihre Augen zuckten hinter der getönten Schutzbrille, als sie durch die verschiedenen Scanmodi wechselte: Normal, Hitze, Ultraviolett, Bewegung.

Nichts.

Sie zog ihre Splitterpistole und aktivierte mit der anderen Hand ein kleines Gerät, das farbcodierten Nebel produzierte, den nur ihre Gefährten wahrnehmen konnten. Nur sie verfügten über die dazu nötigen Frequenzbrillen. Hier war alles ruhig. Sie unterdrückte ihr Bedürfnis zu lächeln.

Hinter ihr und in den angrenzenden Gängen näherten sich ihre Männer in kleinen Stoßtrupps ebenfalls dem Zielort…

Der metallische Widerhall ungeübter Schritte ließ sie zu einem nahegelegenen Lüftungsschacht huschen. Mit vier raschen Bewegungen hatte sie die Abdeckung des Schachtes entfernt - lautlos und schnell wie ein Atemzug; die Abdeckung legte sie lautlos beiseite - es blieb keine Zeit, sie wieder einzubauen....

Die Schritte näherten sich, und im Licht des Wartungsschachts erschien eine schemenhafte Gestalt. Den steifen Bewegungen nach handelte es sich um einen der Techniker Zakharovs. Auch die ungeschickte Art, die Pistole zu umklammern sprach für ihre Vermutung. Sie hatte Leuschen hinter ihr bereits lautlos ein Zeichen gegeben, damit er sich verstecken konnte…

"Hey!" Ein schroffer Schrei, überrascht und mit einem irischen Akzent unterlegt, hallte durch den Schacht. Der Kerl hatte etwas gesehen. Er begann zu laufen.

"Halt, Getriebeputzer", das war Leuschens Stimme, die seine Verachtung für den armseligen Techniker widerspiegelte. Santiago sah zu, wie der Techniker plötzlich durch die Öffnung des Lüftungsschachtes sprang und für einen kurzen Moment erkannte sie eine Splitterpistole und ein von der Anstrengung feuerrotes Gesicht auf einem ungewöhnlich untersetzten Körper.

"Zeig dich, du meuternder Scheißkerl", brüllte der Mann.

"Wenn du deine Waffe ziehst, werde ich dich …" Leuschens Stimme wurde jäh vom plötzlichen Stakkato einer Salve aus einer Splitterpistole unterbrochen. Der Lärm war noch nicht verhallt, als eine zweite längere, abgehackte Salve den Schacht erschütterte. Santiagos Hand verkrampfte sich um den Kolben ihrer Pistole. Wer hatte geschossen?

Dann das Dröhnen einer weiteren Salve, die wie ein Tusch elegant verhallte. Präzision; der zweite Schütze mußte einer ihrer Männer gewesen sein. Wie ein Schatten löste sie sich nun aus dem Schutz des Lüftungsschachtes.

Der Techniker lag gekrümmt gegen die Wand. Sein linkes Bein und sein Hüftgelenk waren völlig unerkenntlich. Santiago schüttelte verärgert den Kopf; der Mann atmete noch. Röchelnd versuchte er, sich, mit einem Arm aufzurichten. Auch Leuschen näherte sich vorsichtig. Dabei versuchte er, nicht in das Schußfeld des Verletzten zu gelangen, der seine Waffe immer noch locker in der linken Hand hielt.

"Leuschen!" zischte sie ihm entgegen. Dieser sah ihr bestürzt ins Gesicht.

"Nur einen Schuß. Lerne endlich, dich zu beherrschen. Tausend Schuß aus einer Splitterpistole, und dieser Mann lebt immer noch". Und nach einem geübten Blick auf den Schwerverletzten: "Dem ist nicht mehr zu helfen."

Sie zog ihre Waffe und wählte den Einzelschuß-Modus. Auf den Knall der Pistole folgte das laute Krachen des Schädels des Technikers, als dieser zerbarst.

Schnell lief sie zu der Leiche, griff diese am rechten Handgelenk und drehte sie herum. Auf dem Display seiner Uhr blinkte eine gelbe Warnleuchte.

"Und wenn der Kerl nun die Kommandozentrale gewarnt hat..."

"...dann wissen die da oben wenigstens, daß wir es ernst meinen." Leuschen hatte sich ein wenig zurückgezogen. Er ging seltsam gebeugt und wandte er sich von ihr ab. "Der Kerl hat auf mich geschossen."

Ihr zorniger Blick war voller Verachtung. "Das darf nicht noch einmal passieren! Schaff' die Leiche weg. Wir müssen weiter, bevor es noch zu weiteren Vorfällen kommt."

Santiago machte sich auf den Weg zu ihrem Zielort.

  Persönliche Logbücher der Unity R. Mullen;
Techniker

Bin auf Patrouille auf Deck 2,
Wartungsschächte. Alles ist ruhig und ziemlich
langweilig. Außerdem bin ich hundemüde und
hoffe, daß meine Schicht bald zu Ende ist.