Reise nach Centauri: 13. Kapitel
 
Die Türen zum Waffendeck öffneten sich mit einem Zischen, und Captain Garland betrat vorsichtig die Vorkammer. Der Raum fühlte sich dumpf und leer an, befleckt durch das gewalttätige Geschehen. Die Lichter waren gedämpft worden, aus Respekt vor den Toten.

Garland zwang sich, anzuhalten und alles aufzunehmen; zum ersten Mal sah er Blut an den Wänden, schwarze, verkrustete Schatten. Die Video-Kamera der Vorkammer funktionierte nicht, vermutlich von Santiago ausgeschaltet, deswegen konnte sich Garland die Szene auch nur in seiner Phantasie vorstellen. Hier wurde ein Besatzungsmitglied zu Boden geworfen, die Wand dahinter war durchsiebt von einer Splitterpistole. Dort eine Spur, die jemand hinterließ, als er über den Boden kroch, die in einer tiefen, getrockneten Pfütze endete. Menschen aus seiner Besatzung ...

Er durchquerte die Kammer und betrat die Waffenkammer genau dort, wo Prokhor Zakharov immer noch zusammen mit einem Ingenieur wartete, der ihn beschützen sollte. Die Wächter wirkte ziemlich muskulös, trotz der zehrenden Wirkung des Kälteschlafs, und er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und hielt die schwere Maschinenpistole ein wenig verkrampft in den Händen. Er war Ingenieur, kein Soldat.

Regale voller Waffen umgaben sie, ragten weit hinaus in die Dunkelheit des Waffendecks. Garland dachte, daß dieser Ort die Philosophie des United Nations Council perfekt wiedergab: klein, kleiner als jeder Lagerraum, so als wäre er einfach nur wie ein nachträglicher Gedanke angehängt worden, aber drinnen war er vollgepackt mit Waffen. Tödlicher Waffen, wie ultraleichte Splitterpistolen, Atom-Mörser, Fusionsbohrer. Die dunkle, harte Hülle dieser Waffen reflektierte ihre Funktion: Bedrohung und Aggression. Dieses Deck schien die verspätete Erkenntnis zu verkörpern, daß die Gewalt die Menschheit auch zwischen den Sternen finden würde.

Am anderen Ende des Raums beugte sich Zakharov über einen Taschencomputer, auf seinem Gesicht der Wiederschein eines flackernden Lichts. "Officer Zakharov", grüßte Garland. Der Russe schaute auf, ließ rasch den Computer zuschnappen und stand auf.

"Captain." Er senkte leicht den Kopf und blickte sofort wieder auf. Garland holte tief Luft und setze sich auf einen schwarzen Container, der mit roten Warn-Kreuzen gekennzeichnet war.

"Wir sind nicht immer einer Meinung, Prokhor, aber ich respektiere Ihr Können und Ihr Weisheit." Zakharov richtete sich auf, eine Spur Stolz in seinen Augen. "Wir brauchen Sie auf unserer Seite. Sie hatten den Auftrag,

daß Schiff zu reparieren, nicht einen Angriff zu starten ..."

Im gleichen Augenblick verschwand der Stolz aus Zakharovs Augen. "Diese Santiago bedroht meine Ingenieure."

"Ja, ich weiß."

"Ich war es, der mehr als jeder andere darauf bestand, das Schiff zu reparieren, Captain. Deswegen ..."

Der Captain hob die Hand. "Egal. Darüber werden wir später sprechen. Wir werden jetzt Ihre Ingenieure bewaffnen und eine Kiste mit Waffen in die Kommandozentrale bringen. Die Waffenkammer wird wieder ordentlich versiegelt."

Zakharov nickte. "Einverstanden."

Garland seufzte erleichtert. "Ich habe diese Vorfälle in mein Logbuch eingetragen. Vielleicht möchten Sie das auch tun."

In Zakharovs Augen blitzte Verärgerung auf, die sich schnell in amüsierte Geringschätzung auflöste. "In Ihr Logbuch? Damit es zur Erde geleitet wird?" Er hob eine Hand, sie zitterte. "Ich habe uns mit Waffen versorgt, möglicherweise das Schiff gerettet ..."

"Die Einträge werden das festhalten. Aber ebenso wird festgehalten, daß Sie versucht haben, Santiago mit den eigenen Waffen zu schlagen: mit Gewalt. Wir haben Verantwortung gegenüber der Menschlichkeit und dem U.N.-Konzil, Officer. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir kämpfen um Frieden."

"Das Konzil ist Lichtjahre entfernt, wenn es überhaupt noch existiert."

"Ich weiß." Der Captain und Zakharov sahen sich an, die Waffen warfen Schatten an die Wände. Zakharov schüttelte ein wenig den Kopf.

"Tun Sie, was Sie tun müssen. Ich will einfach nur das Schiff reparieren."

Der Captain fixierte den Russen, aber dieser blieb ruhig, undurchschaubar. Nicht einmal zehn Meter entfernt trocknete Blut an den Wänden und auf dem Boden der Vorkammer. Machte das Zakharov etwas aus? Einer seiner eigenen Leute?

"Captain, ich bin sehr zuversichtlich, daß wir das Schiff rechtzeitig reparieren können. Ich werde einen Impuls-Test in wenigen Stunden anberaumen. Wir sind fast damit fertig, die Schwachstellen des Schiffs zu verstärken."

Garland nickte. "Gut. Kehren wir zurück ins Kommando-Modul. Wir müssen vorsichtig sein, bis das Schiff gesichert ist. Die zwanzig Leute vom Sicherheitspersonal sind nicht angekommen, wahrscheinlich müssen wir ein paar andere Leute aus einem anderen Bereich wecken."

"Und vielleicht hat diese Santiago auch ... noch weitere Leute vom Sicherheitspersonal mit ihren Ideen gewinnen können."

Garland nickte wieder. "Oder andere Besatzungsmitglieder. Das Risiko müssen wir in Kauf nehmen."

"Doktor Yang könnte uns helfen, aber wo ist er? Steht er unter Santiagos Aufsicht oder sogar auf ihrer Seite? Wem können Sie noch trauen, Captain?"

Zakharov lief an Garland vorbei, als dieser sich auf den Weg zurück ins Kommando-Modul begab. Garland drehte sich um und strich mit den Fingern über die Waffen, in denen ein riesiges Zerstörungspotential schlummerte.

  Code-Name: Abgesandter
Verschlüsselte Verbindung, Colonel Santiago

Wieder in Bewegung per Befehl. Alles ruhig auf
Deck 3. Ingenieure arbeiten am anderen Ende
und nehmen uns überhaupt nicht wahr.

Bei nächster Gelegenheit Vorstoß zum
Kommando-Modul. Bitte zunächst jedoch um
Bestätigung des Plans, der anschließend
ausgeführt werden soll…