Reise nach Centauri: 10. Kapitel
 
Prokhor Zakharov rastete in einem der zylindrischen Dienstwege des Schiffs und strich mit seinen Fingern an der Naht eines Lüftungsschachts entlang. Er zog die Augenbrauen zusammen, als sei er über irgendeinen Strukturschaden besorgt, und seine Augen wanderten den Dienstweg auf und ab. Breite gelbe Streifen zogen sich an den Wänden entlang in jede Richtung; dieser Dienstweg war schwerem Gerät und Nachschub - Transporten vorbehalten.

Natürlich gab es auch hier Kameras, nur nicht genug Leute, die sie überwachen konnten. Alle Hände waren momentan mit der Reparatur des Schiffs beschäftigt, auch die seinen. Aber zuerst mußte er noch etwas erledigen.

Der silberne Lüftungsschacht öffnete sich und schien ihn zu verschlucken. Einen Moment später war der Dienstweg leer.

Zakharov atmete tief durch und versuchte, in dem engen Schacht ruhig zu bleiben. Er ging hinunter auf Hände und Knie und krabbelte los. Um die Hände hatte er sich Lappen gewickelt, um das Aufsetzen auf dem starken, aber flexiblen Untergrund abzudämpfen. Alle Infrarot-Sensoren, die seinen Weg säumten, hatte er für eine Stunde außer Betrieb gesetzt.

Er fühlte bereits den Schmerz seine Wirbelsäule hochkriechen, aber er krabbelte weiter durch einen schmalen Tunnel nach dem anderen, dem auf seinem Taschencomputer angezeigten Weg folgend. Zweimal links, rechts,

dann hinunter - dunkle, enge Pfade entlang. Seine Gelenke schmerzten, und er konnte kaum atmen. Dunkelheit schloß ihn ein, und dann ...

Dort vorne - ein kleines Gitter, durchkreuzt von Infrarot-Strahlen, die er nicht deaktivieren konnte. Durch das Gitter konnte er einen kleinen Raum ausmachen, an dessen Wänden rote Streifen entlangliefen.

Er streckte die Arme, löste ein kleines thermisches Modul von seinem Gürtel und näherte sich den Infrarot-Strahlen. Er schaltete das Modul ein, stellte die Temperatur sorgfältig auf einen Level weit unter Gefrierpunkt ein und richtete das eisblaue Spray auf die Sensoren des Infrarot-Detektors. Eins, zwei, drei, schnell bewegte er das Modul von einem zur anderen. Seine Hand zitterte ein wenig, seine Augen waren wachsam, analytisch und teilten seine Bewegungen auf ein Zehntel genau ein.

Nachdem auch der letzte Sensor besprüht war, stieß er durch, faßte das Gitter mit den Händen, drückte, ohne das Klappern zu beachten, und quetschte sich durch eine schmale Öffnung, gut fünf Fuß vom Boden entfernt.

Er ließ sich fallen und landete unsanft auf dem kalten Metallboden.

Links von ihm, am Ende des engen Raumes, war eine unbeschriftete Metalltür. Das Wort 'Waffenlager' war auf die Türdichtung gestempelt. Hinter dieser Tür lag die Waffenkammer. Und auf der anderen Seite ... eine Vorkammer, vermutlich mit aufständischen Crew-Mitgliedern besetzt.

Er hatte keine Berechtigungskarte, um das Waffenlager zu betreten, und selbst wenn er eine besessen hätte, hätte er sie nicht benutzen können, ohne ein Signal im Kommandodeck auszulösen, aber das war jetzt nebensächlich. Irgend jemand hatte die Zutrittsberechtigung zwischenzeitlich umprogrammiert, das war offensichtlich.

Er gab einen ganz einfachen Zugangscode in die Tür ein, und mit einem klickenden Geräusch wurde die Tür freigegeben. Kein Alarm, keine Schritte, keine Befehle vom Captain.

Die große rote Tür schwang auf, und Zakharov betrat den Raum.

"Finden Sie Zakharov!" fuhr Captain Garland Lal an. Fähnrich Martchenko saß starr vor seiner Konsole, aber Garland ignorierte ihn. In diesem Moment traute Garland nur noch Lal, einzig und allein.

Außer vielleicht ... Skye. Skye ...

Er versuchte, sie zu erreichen. "Officer Skye, sofort melden."

"Ja, Captain." Ihre Stimme klang fest und weich, professionell in solch einer Krisenzeit. "Ich kann Sie hören."

"Wir haben Rebellen auf dem Schiff entdeckt. Besatzungsmitglieder, die sich ohne Autorisierung hier bewegen ... wir wissen noch nicht, wie viele es sind und was sie genau möchten. Wir glauben nicht, daß sie zur Zeit in Ihrer Nähe sind, aber Sie sollten vorsichtig sein. Lassen Sie einen von Saratvos Leuten vor dem Hydrokultur-Modul Stellung beziehen."

"Zakharovs Leute sind nicht mehr hier, Captain. Sie sind vor ein paar Minuten auf seinen Befehl hin gegangen."

Garland stand für einen Moment wie erstarrt. "Haben sie einen Grund genannt?"

"Nein, Captain. Sie testeten gerade die synthetische Glaskonsole am anderen Ende des Gewächshauses, als eine Mitteilung eintraf. Daraufhin packten alle drei ihre Sachen und verschwanden eilig. Und Captain ... ich könnte hier Leute gebrauchen. Ob wir das Schiff nun gestoppt kriegen oder nicht, irgendwann werden wir Hunger bekommen, also müssen die Hybride gepflegt werden. Ich kann mich diesbezüglich nicht ... das muß ich leider so sagen, also, Zakharovs Leute sind sehr beschäftigt."

"Verstanden. Schicken Sie Ihre Forderungen an das Kommandomodul, damit wir die Leute wecken können. Halten Sie bitte die Anzahl auf einem Minimum. Aktivieren Sie bitte auch die Bewegungsmelder auf den Gängen um das Gewächshaus herum. Passen Sie auf sich auf, Deirdre."

"Verstanden." Ihre weiche Stimme hallte noch einen Moment nach, als Garland die Verbindung abbrach. Er tippte Lal auf die Schulter und flüsterte mit ihm.

"Wo ist Zakharov? Loggen Sie sich in seine Erkennungs-Einheit an der Uniform ein."

"Commander Zakharov ist ... in einem technischen Dienstweg. Das Delta der Erkennungs-Einheit ist nicht auf Null, also muß er es noch dabei haben ... Moment, er bewegt sich nur 2 Zentimeter ... und jetzt eineinhalb in die andere Richtung ..."

"Los, Sichtkontakt." Er spähte hinüber zu Zakharovs Fähnrich Martchenko. Ihm war das schlechte Gewissen deutlich im Gesicht anzusehen.

"Captain." Auf Lals Bildschirm flackerte das Bild eines großen Dienstwegs Kein Lebenszeichen. "Das Erkennungs-Modul hat ihn hier geortet, in leichten Vor- und Rückbewegungen ..."

Garland lehnte sich nach vorne und betrachtete das Bild sorgfältig. "Halt. Zoomen Sie das heran, hier. Weiter." Lals Finger tanzten, und ein Gegenstand auf dem Boden wurde immer weiter vergrößert.

Dort, auf dem Boden, lag ein kleiner Metall-Glas-Zylinder, der auf dem unebenen Boden vor- und rückwärts rollte.

"Er hat die Einheit rausgezogen, oder sie ist rausgefallen. Aber wo ist er?"

Lal rief eine Schema-Ansicht des Schiffs auf. "Der Dienstweg führt in beiden Richtungen zu den Frachtdecks, von denen das eine schweres Gerät enthält, das andere sonstigen Nachschub lagert. Aber hier ... da ist ein kleiner Wartungsschacht. Er führt zu ... " Das Schema des Schiffs wirbelte über den Bildschirm, als Lal den Schacht entlangscrollte.

"Zum Waffenlager", sagte Garland, "aber er kann es nicht öffnen."

"Es sei denn, der Code ist bereits geknackt worden. Möglicherweise hat er Grund zu der Annahme, daß er das ist."

"Öffnen Sie die Datenverbindungen. Rekonstruieren Sie, was auch immer er an seiner Konsole gemacht hat, bevor er gegangen ist; konzentrieren Sie sich auf die Endergebnisse, die vom Computer farbig gekennzeichnet wurden."

"Nicht nötig, Sir", war die barsche Stimme des jungen Fähnrich zu hören. "Ich glaube, daß der Commander bereits etwas laufen hatte, bevor er ging."

Garland ging hinüber zur Wissenschaftskonsole und schaute auf den Bildschirm.

"Können Sie das erklären?"

"Das ist das Zugangs-Protokoll der Waffenkammer. Normalerweise wird es hunderttausend Mal in der Sekunde geändert, aber während dieser Zeitspanne von drei Sekunden ist diese Aktualisierung nicht erfolgt." Er deutete mit der Hand auf eine markierte Zeitspanne, irgendwann, bevor das Schiff getroffen wurde. "Das Zugangsprotokoll wurde bereits manipuliert."

"Also sind Santiagos Leute irgendwie in die Waffenkammer eingedrungen. Sie sind bewaffnet."

"Captain. Schauen Sie sich das an." Lals weiche Stimme klang hastig, aufgeregt. "Die meisten Ingenieure haben sich in den gleichen Bereich aufgemacht. In der Nähe des Waffenlagers."

  Schnellverbindung [verschlüsselt]:

Von: Commander Zakharov
An: Notf.-Ing.@science.unac.unity
[Kategorie: vertraulich]

Aktuellen Auftrag zu Ende führen, dann sofort
zu angegebenen Koordinaten begeben. Fähnriche
Preuss, Landon, Ritzka sofort losgehen.
Vorsicht und Diskretion.