Reise nach Centauri: 9. Kapitel
 
"Wo ist Doktor Yang? Er sollte längst hier sein." Garlands Frage stand im Raum der Kommandozentrale. Er strich mit seinen Fingern am Kragen entlang ... als wenn mit der steigenden Spannung auf dem Schiff auch die Hitze einherginge.

Ein weiterer Fähnrich, Martchenko, hatte Khosas Platz an der Wissenschaftskonsole eingenommen. Er fing hastig an zu reden.

"Das ist richtig, Captain." Er rief eine Schema-Darstellung des Schiffs auf und erhielt eine Vergrößerung von Yangs Kapsel. "Kältedeck 3, Kapsel 457. Offen."

"Wo ist er denn hingegangen?"

"Tja, wohin nur?" war eine Stimme zu hören, verzerrt durch statisches Rauschen, die ungebeten aus der Kommunikationseinheit kam.

"Verfolgen!" schrie Garland, eilte hinüber zur Kommunikationskonsole. "Hören Sie, hier spricht Captain Garland. Identifizieren Sie sich." Zakharov war erstarrt, studierte die Situation, versuchte, die Wendung der Ereignisse in logische Strukturen zu zwingen, die nur wenig Raum für menschliche Zweifel ließen. Garland hört auf, ihn anzustarren und wendete sich wieder der Stimme zu.

"Ich bin Corazon Santiago, Captain, vom Sicherheits-Personal. Dr. Yang ist bei mir." Garlands Hand wanderte zu den Abzeichen seiner Uniform, als er die Personenlisten des Schiffs durchging. Santiago ... die Stimme dieser Frau klang sanft, befehlend, brüsk ... elegant und trotzdem irgendwie flach.

Das Sensorfeld der Kommunikationskonsole flackerte ohne ersichtlichen Grund und zeigte einen tabellarischen Lebenslauf: Name, Corazon Santiago, Sicherheitsfunktionärin unter Dr. Yang. Ein Lieutenant, verantwortlich für eine Division von Männern und Frauen, insgesamt über hundert, was auf den ersten Blick nicht richtig einleuchtete. Strenge Gesichtszüge, hellbraune Haut, geboren in Puerto Rico, dann nach Mexico City umgezogen, letztendlich in New Los Angeles gelandet. Alles Städte, die sich zu Kriminalitätshochburgen entwickelten, in denen sich Bandenkriege abspielten, Brandstiftungen, Raubüberfälle, die in den letzten Tagen der Erde Bestandteil des normalen Lebens waren.

Dunkelbraune Augen starrten ihn herausfordend vom digitalisierten Bild an.

"Möglicherweise wissen Sie bereits, daß ich aus dem Kälteschlaf aufgeweckt worden bin durch einen selbstausführenden Befehl, der in Ihrem System durch ... sagen wir mal, einen Freund von der Erde plaziert wurde. Ich und 50 andere Kollegen von mir sind Mitglieder der Sparta-Koalition. Kennen Sie uns?"

Auf der kleinen Konsole wurden ihre gesprochenen Worte abgebildet ... Garland markierte Sparta-Koalition und erstellte einen Link. "'Eine Gruppe radikaler Überlebender aus Los Angeles mit weitreichenden politischen Verbindungen. Entschlossen, für das Überleben der Menschheit im wachsenden Chaos' des späten 21. Jahrhunderts zu sorgen.' Hört sich so an, als seien Sie einfach eine von uns."

Sie lachte. "Ich versichere Ihnen, daß ich Ihnen nichts antun möchte. Meine Leute und ich möchten nur einen ausreichend großen Teil der Schiffsvorräte erhalten und einen eigenen, abgetrennten Teil des Planeten zugeteilt bekommen, um unsere eigenen Ziele zu verfolgen."

"Und wodurch unterscheiden sich Ihre Vorstellungen von den unseren? Stellen Sie unseren Überlebenswillen in Frage? Mußten Sie deswegen die Aufzeichnungen des Schiffs ändern und die gesamte Mission in Gefahr bringen?"

"Schauen Sie sich um, Captain. Diese Mission stinkt vor Politik unter dem Deckmantel des Idealismus. Wir kümmern uns nur ums Überleben, schlicht und einfach, und dieser Fokus verleiht uns Macht. Wir möchten unsere Vorstellungen zu unseren Bedingungen realisieren."

Die Augen des Captains zuckten, als er versuchte, ihre Forderungen zu verarbeiten und die Gefahr zu analysieren, die daraus für das Schiff und die Tausenden Menschen im Kälteschlaf entstand.

"Warum kontaktieren Sie mich jetzt? Wenn Ihr Ziel das Überleben in seiner schlichtesten Form ist, warum können Sie dann Ihr Ziel nicht einfach auf der Erde selber verfolgen?" Pause. "Sie sollten bemerkt haben, daß das Schiff vom Kurs abgekommen ist. Wenn wir es nicht innerhalb von 34 Stunden repariert haben, werden wir am Centauri-System vorbeifliegen und Jahrzehnte für die Rückkehr brauchen." Eine weitere Pause. Stille. "Sie können das Schiff nicht alleine reparieren. Das müssen wir gemeinsam erledigen."

Als die Stimme wieder ertönte, war der Ärger deutlich herauszuhören, die Gewaltbereitschaft, die unter der Oberfläche schwelte. "Ich will keine philosophischen Debatten mit Ihnen führen, Captain. Unser Kurs ist klar.

Reparieren Sie das Schiff, wenn Sie der Meinung sind, daß das notwendig ist, aber in Anbetracht der Tatsache, daß wir entdeckt sind, müssen wir gewisse Schritte unternehmen, um unsere Position zu sichern. Alles andere ist unwichtig, und deswegen werden wir überleben."

"Wegen eines egoistischen Ziels, das die Mission gefährdet?"

"Genau deswegen." Er konnte die kalte Genugtuung förmlich durch die Kommunikationsverbindung spüren. Pravin Lal schüttelte den Kopf, sie konnten alle die Endgültigkeit in ihrer Stimme hören.

"Was wollen Sie also?"

"Ich schicke einen Abgesandten zur Kommandobrücke. Dann werden wir weiter diskutieren."

"Wir können in der Kommandozentrale kein ... rebellisches Besatzungsmitglied zulassen."

"Sie können, Captain. Ich sage Ihnen, Sie können das. Sperren Sie lieber nicht den Lift, oder wir werden Ihre Ingenieure nacheinander aufsammeln."

Garland hörte einen russischen Fluch. Wütend dachte Garland nach ... Was haben sie in ihrem Besitz? Wieviele sind es wohl?

Er mußte Zeit schinden.

"Nun gut, Corazon. Schicken Sie Ihren Abgesandten und lassen Sie das Instandhaltungs- Personal in Ruhe."

"Nennen Sie mich nicht beim Vornamen, Captain. Verbleiben Sie in der Kommandozentrale, wir sehen uns in Kürze." Die Verbindung wurde abgebrochen. Captain Garland ging zu Lal.

"Wo ist sie?"

"Die Kommunikationsverbindung wurde von einem Lagerraum auf Kältedeck 3 hergestellt, wo sowohl sie als auch Dr. Yang schliefen."

"Ein großer Teil des Sicherheitsteams ist dort untergebracht." Er wanderte auf und ab. "Stellen Sie fest, wie viele sie in ihrer Gewalt haben ..."

"Jawohl, Captain." Pravin bediente sich wieder der formalen Anrede, als die Krise schlimmer wurde.

Garland wandte sich an Fähnrich Martchenko. "Nehmen Sie sich den Lebenslauf von Santiago vor. Überprüfen Sie schleunigst die Daten-Einträge des Waffenlagers. Wir müssen wissen, ob sie bewaffnet sind."

Der junge Fähnrich begann hektisch, auf die Schalter der Sensorfelder zu tippen. Garland stieß einen tiefen Atemzug aus und schaute auf die Sicherheitsmatrix. Verschiedene Kameras waren nun ausgeschaltet, oder die Räume, die sie bewachen sollten, lagen im Dunkeln. Systematische Sabotage oder Kreisläufe, die durch die lange Reise ausgepowert waren?

"Glauben Sie, daß sie angreifen werden? Wie gefährlich sind sie?" fragte er leise. Eher rhetorische Fragen. Captain Garland schaute hinauf zur niedrigen Decke der Kommandozentrale, wo das Stern-Wappen der United Nations in das Metall eingeprägt war. Das beschädigte Schiff ...

Er ging zur Wissenschaftskonsole. "Commander Zakharov, wir müssen ..."

Aber der Russe war nirgends zu sehen. Zakharov war verschwunden.

  Schiffs-Übermittlung,
Prokhor Zakharov

Der Konflikt mit den mysteriösen Störenfrieden
hat die Möglichkeiten meiner Ingenieure
gefährdet, das Schiff rechtzeitig zu
reparieren. Alle sind nun mit dem
unmittelbaren Konflikt beschäftigt, aber ich
werde meine Augen auf die neue Welt richten,
immer.

Der Captain wird meine Leute möglicherweise in
den Kampf schicken, darauf muß ich vorbereitet
sein. Ich werde nicht auf dem falschen Fuß
erwischt werden.