Reise nach Centauri: 2. Kapitel
 
Pravin Lal erwachte durch das Zischen der sich öffnenden transparenten Tür seiner Kapsel und fühlte das Schütteln des Schiffes unter sich. Sein Herz begann zu klopfen, er schloß die Augen, atmete tief durch und versuchte, ruhig zu bleiben.

Als sein Herz sich beruhigt hatte, öffnete er erneut die Augen. Sein Training hatte ihn darauf vorbereitet: Desorientiertheit, Schlafkrankheit, eine tiefe Müdigkeit, die ihm in den Knochen steckte. Er spuckte das Atemgerät aus, zog die Infusions-Schläuche von seinem Arm, hob die Hände und drückte sie fest gegen die Glasluke.

Die Kältekammer öffnete sich. Er lebte.

Um ihn herum erstreckte sich die Weite von Kältedeck 2, ruhig, riesig, gefüllt mit Tausenden identischer Glaskapseln, jede von ihnen in blaues Licht getaucht, jede mit Röhren und Kabeln versehen, die sich wie Schlangen zum Boden wanden. Über tausend Besatzungsmitglieder - doch dann zuckten seine Augen reflexartig zur Kältezelle links von ihm. Er kam auf die Füße und, die Kälte mißachtend, ging er zur Kapsel hinüber.

Er schaute durch das Glas. Dort unter dem Frost und dem bläulichen Schimmer des Kältegels, konnte er wage ihren leicht bräunlichen Umriß und das dunkle Haar ausmachen. Pria. Sie sah so friedlich aus, so weit entfernt ... er erinnerte sich noch immer an ihre Sanftheit und den letzten langen Kuß, bevor die Kältetechniker die Zelle schlossen und sie von ihm weggesperrten.

Seine geübten Augen tasteten die Konsole oberhalb ihrer Zelle ab. Alles schien in Ordnung zu sein, sie hatte überlebt. Seine Augen streiften kurz den Handschalter an der Öffnung ... doch dann bemerkte er plötzlich die flackernden roten Lichter am Ende des Decks. Das Schiff! Um ein Haar hätte er die Gefahr vergessen. Kurz strich er noch einmal mit den Fingern über Prias Kapsel und drehte sich dann abrupt weg.

Aus einem Metallschränkchen am Fuße seiner eigenen Kältekammer holte er eine zusammengefaltete Uniform: einfach, bequem, im Himmelblau des Chefchirurgen der Mission und mit dem U.N.-Wappen auf der Brust, ohne Angabe eines Herstellerlandes. Der Captain hatte sich sehr dafür eingesetzt ...

Er schlüpfte in die Uniform und schaltete den kleinen Computer an, der in den Ärmel der Uniform eingearbeitet war. Status-Bericht: In Kürze wird der Captain zusammen mit dem Obersten Wissenschaftsoffizier und ein paar Notfall-Besatzungsmitgliedern aus dem Kälteschlaf erwachen. Es sieht so aus, als seien große Teile der Schiff-Außenhaut beschädigt sowie zwei Module der Hydrokultur. Der Fusionsantrieb ist abgeschaltet.

Pravin gab den Code für seine dienstliche Rückmeldung ein und machte sich Richtung Kommando-Deck auf. Das Schiff lenkte mit rasender Geschwindigkeit auf das Centauri-System zu, und ohne Fusionsantrieb konnte es nicht gestoppt werden.

  Logbuch-Eintrag,
Pravin Lal, Chef-Chirurg.
Ich bin aufgewacht, und fand unsere
Mission gefährdet. Ich gehe nun, um
den Captain auf dem Kommando-Deck zu
treffen und zu sehen, was passiert
ist.

Ich bete darum, daß die Integrität
der Hauptdaten des Schiffes erhalten
ist. Denn das ist die letzte
Hoffnung der Menschheit: All unser
Wissen digitalisiert für die
Überbringung in die neue Welt. Wenn
die Erde die letzten 40 Jahre nicht
überlebt haben sollte, dann liegt
unsere Zukunft im Herzen dieses
beschädigten Schiffes.